Meine gesammelten Werke: Wie ich die Lage gesehen habe.

Ist das Recherchenetzwerk OCCRP von der US-Regierung abhängig? Die Geschichte einer Geschichte über Enthüllungsjournalismus.

Süddeutsche Zeitung, 07.12.2024

Liebesgrüße aus Washington

Ist das Recherchenetzwerk OCCRP von der US-Regierung abhängig? Die Geschichte einer Geschichte über Enthüllungsjournalismus.

Süddeutsche Zeitung, 07.12.2024

Lowell Bergmann ist in der Szene der Enthüllungsjournalisten ein Star. Seine Arbeiten für den US-Sender CBS über dunkle Machenschaften der Tabakindustrie hat Hollywood in den Film „The Insider“ umgesetzt, mit Al Pacino in der Reporterrolle. Journalismus als großes Kino.

Umso überraschender war, dass der Amerikaner 2015 aus dem Vorstand eines renommierten internationalen Networks von Investigativ-Journalisten ausstieg, dem „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP). Ihm sei klar geworden, wie sehr die US-Regierung bei der NGO involviert war, alles eine „komplizierte Sache“, sagte Bergmann. Nachdem er seine Bedenken intern vermittelte, sei er „voller Respekt“ zurückgetreten.

Damals, vor zehn Jahren, zog dieser Abgang keine großen Kreise. Heute jedoch fällt ein anderer Blick auf das OCCRP: Die französische Online-Zeitung Mediapart berichtete jüngst in großer Aufmachung über die Beziehungen des Netzwerks zur amerikanischen Regierung. Demnach trete Washington als wesentlicher Finanzier auf, der auch Einfluss in dieser Organisation habe, die im Februar 2023 für den Friedensnobelpreis nominiert war. Die Darstellung sei verzerrt und teils nicht korrekt, entgegnete das OCCRP, es handele sich um eine Art persönliche Vendetta, der Regierungseinfluss auf die veröffentlichten Geschichten sei gleich Null. Auch der Norddeutsche Rundfunk spielt eine Rolle: Vor fast zwei Jahren hatten Haus-Autoren die Geschichte über die Enthüller initiiert, im letzten Moment aber, im Oktober 2024, war der öffentlich-rechtliche Sender kurz vor der Veröffentlichung journalistisch abgesprungen. Die Kooperation mit dem OCCRP hatte der NDR, als die Recherchen begannen, im September 2023 bis auf Weiteres gekappt.

Das ist, wenn man so will, medientechnisch ganz großes Kino. Es geht nicht mehr, wie bei Lowell Bergmann, um einzelne Journalisten-Stars. Es geht nun um Journalisten-Organisationen, die für Scoops sorgen.

Aufklärerische Netzwerke gegen kriminelle Netzwerke setzen, das ist die Idee der Projekte

Mit einem Mal waren jene Plattformen ins öffentliche Zentrum gerückt, die – gestützt auf große Datenmengen – über nationale Grenzen hinweg Missständen nachspüren. Projekten wie OCCRP oder dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), die miteinander manchmal auch heftig konkurrieren, liegt die Mission zugrunde, aufklärerische Netzwerke gegen kriminelle Netzwerke zu setzen, eine Art globalisierte „Vierte Gewalt“ zu sein. Und demokratische Regierungen sehen hier offenbar die Chance, mit Hilfsgeldern für mutige Journalisten liberale Anti-Strukturen in Autokratien zu fördern. Solche „soft power“ unterscheidet sich deutlich vom plumpen Propaganda-Beschallen im Kalten Krieg der 1950er-Jahre, als die USA, unter gütiger Mithilfe der CIA, in München das sendungsbewusste Radio Free Europe finanzierten.

Manches aber bleibt erklärungsbedürftig rund um das OCCRP, das mehr als 100 journalistische Preise gewann, das 150 Journalistinnen und Journalisten weltweit einsetzt, das der Zunft das Datenanalyse-System „Aleph“ zur Verfügung stellt und global mit vielen Dutzend Medien kooperiert hat, von der New York Times über Le Monde, den Spiegel bis zur Süddeutschen Zeitung.

Was also soll man davon halten, dass dieses Netzwerk gegen organisierte Kriminalität und Korruption anfangs – nach einer Startsumme aus dem Demokratiefonds der Vereinten Nationen – mit 1,7 Millionen Dollar im Wesentlichen von der International Narcotics and Law Enforcement Affairs (INL) finanziert wurde, die zum US-Außenministerium gehört? Offiziell spendeten freilich nicht die Drogenbekämpfer die Gelder, sondern die United States Agency for International Development (USAID), eine unabhängige Behörde für Entwicklungszusammenarbeit. (Sie wurde später auch faktisch Großunterstützer von OCCRP.) Mit dieser Konstruktion konnten der amerikanische Journalist Drew Sullivan und sein rumänischer Kollege Paul Radu ihr Netzwerk gründen, damals 2007/2008 in Sarajevo, die neuen Demokratien in Osteuropa fest im Visier.

Seit den Anfängen habe das OCCRP mindestens 47 Millionen Dollar von der US-Regierung erhalten, rechnet Mediapart vor. 1,1 Millionen Dollar seien von der Europäischen Union, 14 Millionen Dollar von sechs europäischen Ländern geflossen, hauptsächlich von Großbritannien und Schweden. Insgesamt hätten Regierungen zwischen 2014 und 2023 rund 70 Prozent des jährlichen Budgets von OCCRP getragen, die USA allein seien auf 52 Prozent gekommen. Eine Tatsache, aus der das OCCRP nie ein Geheimnis gemacht hat und die schon vor der Mediapart-Veröffentlichung jeder hätte wissen können, der sich dafür interessiert. Für 2023 weist der offizielle OCCRP-Report aus, dass Washington der NGO rund 11,7 Millionen Dollar zahlte, mehr als die Hälfte des Budgets.

Es sei eine Frage von Sein oder Nicht-Sein: die Gelder nehmen oder nicht existieren?

Co-Gründer Drew Sullivan, 60, noch immer Chef, erklärte Mediapart hierzu, ein Teil der US-Gelder werde an Partner-Organisationen weitergeleitet, sodass die wahre Quote der Washington-Zahlungen von 2014 bis 2023 nur bei 46 Prozent liege – auch nicht gerade Peanuts.

Im Interview vor laufender Kamera des NDR – der seinerzeit noch richtig bei der Arbeit war – soll Sullivan bestätigt haben, dass der amerikanische Staat die meiste Zeit als größter Spender aufgetreten und er der US-Regierung sehr dankbar sei. Es sei eine Frage von Sein oder Nicht-Sein: die Gelder nehmen oder nicht existieren? Nur so sei man in manchen autokratischen Ländern das einzige unabhängige Medium geblieben. Und: Auch andere journalistische Organisationen würden solche Gelder bekommen. Gleichwohl arbeite man daran, die Unterstützung durch Regierungen zu reduzieren. Man will mehr privates Kapital. Bisher sind etwa die Ford Foundation oder der Rockefeller Brothers Fund mit dabei (Mitgründer von Radio Free Europe waren übrigens Henry Ford II und Nelson Rockefeller).

Die Homepage des OCCRP weist auf einer langen Liste von 23 institutionellen Unterstützern auch das US-Außenministerium und USAID aus, nebst der EU und Regierungsbehörden aus Großbritannien, Schweden und Frankreich. Welche Geldbeträge dahinterstehen, erschließt sich erst nach dem Abrufen der jährlichen Reports. Erkennbar freigebiger ist OCCRP mit selbst geschöpften Erfolgszahlen – etwa, dass man Strafgelder und Beschlagnahmungen in Höhe von mehr als zehn Milliarden Dollar sowie 135 Rücktritte oder Kündigungen führender Personen bewirkt habe.

Dieses Skalp-Zählen war vielen in der breiten Öffentlichkeit bislang ebenso wenig bekannt wie die Selbstbeschreibung amerikanischer Regierungsvertreter. Im Mediapart-Bericht werden USAID-Repräsentanten mit der Bemerkung zitiert, „there are strings attached“, es gebe gewisse Bindungen bei ihrem „kooperativen Agreement“ mit dem Investigativnetzwerk. Demnach könne man beim jährlichen Arbeitsplan mitreden und habe ein Vetorecht bei der Bestellung von Spitzenpersonal („key personnel“), worunter bei Mediapart etwa Chefredakteur, CEO oder Managing Director verstanden wird. Auch habe das OCCRP nicht das Recht, mit dem Geld aus Washington Themen mit stark amerikanischem Bezug zu recherchieren. Und: Gemäß des US Foreign Assistance Act müssten solche Aktivitäten mit der Außenpolitik und den ökonomischen Interessen der USA harmonieren.

Was das konkret bedeutet, bleibt unklar. Mediapart liefert keine konkreten Belege für einen journalistischen Spin, der von der US-Regierung erdacht oder kontrolliert worden wäre. Keine der OCCRP-Recherchen wird inhaltlich oder journalistisch in Frage gestellt.

Schon 2016 hatte Wikileaks das OCCRP beschuldigt, vor allem Russland anzugehen

Was geschildert wird, sind Finanzzusagen aus dem US-Außenministerium mit eher luftigen Zielbeschreibungen: 2,2 Millionen Dollar für ein Projekt, „um die russische Mediensphäre auszubalancieren“ (2015 bis 2019); 1,7 Millionen, um Investigativ-Journalismus im eurasischen Raum zu stärken (2019 bis 2023); 173 324 Dollar zur Korruptionsbekämpfung in Venezuela; eine Million Dollar für einen besseren Investigativ-Journalismus in Malta und Zypern (2022 bis 2024).

Das OCCRP war auch Teil der multinationalen Aufdecker-Truppe von „Cyprus Confidential“, die sich mit dem zyprischen Finanzwesen und der Umgehung von Sanktionen gegen Russland beschäftigte und vom Konsortium ICIJ koordiniert wurde. Kurz nach Veröffentlichung im November 2023 kündigte der Präsident von Zypern Ermittlungen an, drei Wochen später halfen Mitarbeiter des FBI und des US Financial Crimes Enforcement Network vor Ort. Der amerikanische Staat war in diesem Fall an vielen Stellen dabei.

Ein wichtiges Element fürs OCCRP ist schließlich die Arbeit im Global Anti-Corruption Consortium (GACC). Das Gremium wurde 2016 vom US-Außenministerium aufgesetzt. Partner hierbei ist die Nichtregierungsorganisation Transparency International, größter Spender die US-Regierung. Alles wie gehabt. Mediapart findet, es werfe wichtige ethische Fragen auf, wenn eine journalistische NGO auf Initiative und mit Geld der USA aktiv werde, selbst wenn es um eine „gerechte Sache“ gehe. OCCRP-Chef Sullivan findet das nicht. Er kontert mit den Erfolgen. Nur anfangs hätten manche den Ansatz als kontrovers empfunden.

Alles nur Teil eines Journalismus im Dienst des westlichen Demokratiemodells? Schon 2016 hatte die Enthüllungsplattform Wikileaks das OCCRP im Zusammenhang mit den Panama Papers beschuldigt, vor allem Russland anzugehen, ganz im Sinne seiner amerikanischen Geldgeber, der USAID und der Stiftung des Investors George Soros. Tatsächlich waren die Panama Papers jedoch kein OCCRP-Projekt – die den Recherchen zugrunde liegenden Daten hatte ein Whistleblower der Süddeutschen Zeitung zukommen lassen, die gemeinsam mit dem ICIJ Hunderte Journalisten weltweit zusammenbrachte, darunter auch einige des OCCRP.

Spätere Enthüllungen der SZ und ihrer Partner nahmen regelmäßig die Steuerpraktiken von großen US-Konzernen ins Visier, von Apple und Nike etwa, oder deckten die Russland-Geschäfte des späteren US-Handelsministers Wilbur Ross auf. Auch hier war das OCCRP Teil der internationalen Recherchegemeinschaft.

Vor den NDR-Kameras habe der Gründer Sullivan bestätigt, so Mediapart, man verfolge die Politik, nicht über ein Land zu berichten, aus dem Gelder für das jeweilige Projekt stammten, das verursache „Interessenskonflikte“. Man bemühe sich dann um andere Finanziers. In einem jüngst aktualisierten Frage-Antwort-Dokument – ein beliebtes Mittel der Krisenkommunikation – referiert das OCCRP, man müsse bei „kooperativen Agreements“ mit der US-Regierung immer einen Verantwortlichen („key personnel“) benennen. Dessen Aufgabe sei, dass die Arbeit erledigt werde – eine rein logistische Rolle. Personaländerungen in dieser Sache seien mit der Regierung abzusprechen. Immer jedoch behalte man sich „komplette redaktionelle Unabhängigkeit“ vor. Diese Äußerungen zum „key personnel“ klingen anders als die Einschätzungen der USAID bei Mediapart.

Es ist ein Konflikt zwischen ethischen Puristen und demokratie-bewussten Pragmatikern

„Wir hätten früher gezielt nach den US-Geldern bei OCCRP nachfragen sollen“, ärgert sich einer aus dem Kreis führender Investigativ-Journalisten. Die NGO habe alles andere als gut kommuniziert. Manches, wie die Umstände der Gründung, sei „erklärungsbedürftig“.

Die Zusammenhänge sind, zugegeben, kompliziert. Aber es geht nun mal darum, wie staatsnah Journalisten sind, deren Medien nicht staatsnah sein dürften. Die eingebaute Spannung zwischen ethischen Puristen und demokratie-bewussten Pragmatikern erklärt auch die Nervosität der Akteure. Mitte 2023 schrieb Drew Sullivan, zunehmend erbost über die seit Jahresanfang laufenden Recherchen des NDR, eine E-Mail an die Chefredaktion in Hamburg. Er habe darin gebeten, einen hohen Standard für Fact-Checking und Genauigkeit einzuhalten, ließ er intern bei OCCRP seine Belegschaft wissen. Und warnte vor „Propaganda gegen unser Netzwerk“; besser, man rede nicht mit dem NDR. Es war die Zeit, als der Sender beschloss, Kooperationen mit dem OCCRP vorläufig zu beenden. Doch erst im Oktober 2024, nachdem man Recherchepartner hinzugewonnen hatte, stieg der NDR journalistisch aus, vor der letzten Anfrage an Drew Sullivan.

Angst vor Prozessen? Angst vor Compliance-Fragen?

Den Vorwurf, Druck nachgegeben zu haben, weist der NDR auf Anfrage entschieden zurück: „Er entbehrt jeder Grundlage und entspricht in keiner Weise den Tatsachen.“ Ja, der NDR habe juristische Hinweise erhalten, darauf aber nicht reagiert. Vielmehr hätten sich mehrere Redaktionen „unabhängig und autonom gegen die Fortführung oder Veröffentlichung der Recherche“ entschieden, so eine Sprecherin. Zusammen mit dem Justiziariat sei man aufgrund des vorliegenden Zusammenschnitts von Interview-Teilen und Sequenzen der Recherche zur Auffassung gelangt, man befinde sich nicht in einem veröffentlichungsreifen Stadium. Und es sei nicht abzusehen gewesen, wie viel Zeit und Mittel noch zusätzlich zu investieren gewesen wären. So setzte Mediapart die Recherche federführend fort. Sullivans heikle Aussagen vor der NDR-Kamera fanden schriftlich noch ihren den Weg zum Publikum. Den Vorwurf der „Zensur“, vom Portal aus Paris erhoben, weist der NDR ebenso entschieden zurück.

Zu den vielen Fragen in dieser Geschichte gehört, warum der NDR nicht mehr mit einer Organisation arbeiten will, deren kritischer Würdigung man keine Sendeminute eingeräumt hat. In Kenntnis der Recherche hätten die Bereiche, die im NDR mit dem OCCRP kooperieren, die Zusammenarbeit „vorerst vorsorglich auf Eis gelegt“, so die Stellungnahme der Anstalt. Dies sei „die Praxis bei kritischen Recherchen zu Partnerorganisationen“. Das „Nein“ gelte so lange, bis die Vorwürfe geklärt seien.

Andere Partner der NGO gehen nicht so rigoros vor. Der Spiegel erklärt auf Anfrage zum Verhältnis zu OCCRP sehr allgemein, bei jeder Kooperation sei entscheidend, dass die Rechercheergebnisse eines Partners „unserer journalistischen, dokumentarischen und rechtlichen Prüfung standhalten“.

Für den OCCRP-Chef Drew Sullivan handelt es sich bei der Geschichte schlicht um Rache

Für die Süddeutsche Zeitung schildert Ralf Wiegand, Leiter des Ressorts Investigative Recherche, es sei überhaupt nicht neu, dass OCCRP Geld von der US-Regierung erhalte, es sei auch nie verheimlicht worden. Entscheidend sei: „Sind wir in der Zusammenarbeit mit dem OCCRP frei in der Entscheidung, welche Themen wir machen, wie wir sie machen, ob wir sie überhaupt machen? Das sind wir. Können wir Informationen unabhängig überprüfen? Das können wir. Gibt es Einflussnahmen auf unsere redaktionelle Freiheit? Die gibt es nicht.“ Man kooperiere, so wie mit anderen Partnern auch, „punktuell und projektbezogen“ mit dem OCCRP – und entscheide von Fall zu Fall, ob man bei einer Recherche mitmache oder nicht.

Jedenfalls hat die Story über Washington und die Enthüller für ordentlich Resonanz gesorgt. „Russland-Berichterstattung: Haben die USA Journalisten beeinflusst?“, fragte die stets um den anderen Blick auf Moskau bemühte Berliner Zeitung. Und auch das NDR-Medienmagazin Zapp berichtete rasch auf seiner Website, natürlich mit Verweis auf die Vorarbeiten im eigenen NDR. Als Kronzeuge der Kritik fungierte Leonard Novy. Für den Leiter des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik in Köln laufe das dargestellte Ausmaß der personellen und finanziellen Verflechtung von OCCRP mit der US-Regierung „jeglichen Prinzipien journalistischer Ethik“ zuwider. Es lasse den Verdacht zu, Journalisten könnten für politische Zwecke eingespannt werden.

In Autokratien wie Russland, Kirgisistan oder Georgien könnte die neue Publizität von OCCRP ganz andere Folgen haben. Wird der Vorwurf laut, heimische Journalistinnen und Journalisten arbeiteten für eine Organisation, die US-Interessen mit publizistischen Mitteln verfolge, finden diese sich oft als „feindliche Agenten“ wieder. In Deutschland könne man sich tagelang Gedanken über Fragen machen wie die, wie viel Geld eine Journalistenorganisation von wem erhält, Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern könnten das nicht, gibt SZ-Investigativchef Wieland zu bedenken: „Die sind auf das OCCRP-Netzwerk und den dadurch entstehenden Schutz angewiesen, weil sie bisweilen in Lebensgefahr ihrem Job nachgehen.“ Organisationen wie das OCCRP würden Pressefreiheit in Ländern ermöglichen, in denen sie bei Weitem nicht den Stellenwert habe wie hierzulande.

Der attackierte Chef der Organisation Drew Sullivan sieht sich auf der Siegerseite. Für ihn handelt es sich bei der Mediapart-Geschichte mit halber NDR-Beteiligung ohnehin schlicht um Rache. Er zielt auf ihren Co-Autor Stefan Candea, einen rumänischen Journalisten, der ein anderes Netzwerk koordiniert, die European Investigative Collaborations (EIC). Einst hatte Candea in Sullivans Netzwerk gearbeitet, sich aber immer wieder mit Führungsmitgliedern verkracht, heißt es bei OCCRP: Ein „inakzeptabler Interessenskonflikt hätte ihn davon ausschließen müssen, über unsere Organisation zu schreiben.“ Dieser Vorwurf wird, selbstredend, von Candea, EIC und Mediapart heftig dementiert.

Man sieht: Diese Auseinandersetzung um die letzten Details hat viele Opfer. Und Drew Sullivan – für die einen der Held, für die anderen Anti-Held dieser Geschichte – kann seine alte, gern präsentierte Selbstbeschreibung vergessen. Er hatte verkündet, bei OCCRP handele es sich um „die wichtigste investigative Reporter-Organisation, von der man noch nie gehört hat“.

Sie ist nun fast so bekannt wie, sagen wir, Lowell Bergmann und „The Insider“.