Wenn Geld doch Tore schießen soll: Ein Ex-Nationalspieler, Finanzspezialisten und einige Top-Anwälte wollen über eine börsennotierte Firma kleinere Klubs in Europa groß machen. Solche Investments sind populär.
Im Fußball gehört der SV Werder Bremen zu jenen Traditionsklubs, die an Herz und Gemüt gehen. Das war 2021 auch beim langjährigen Banker Lars Hülsmann und dem seinerzeitigem Aufsichtsratschef Marco Bode so. Gemeinsam brachten sie, mitten in der Pandemie, zwecks Finanzierung erfolgreich eine SV-Werder-Anleihe auf den Weg. Die Verbindung zwischen dem in Bremen geborenen Finanzmann und dem Ex-Nationalspieler von der Weser wurde enger.
Nun arbeiten die beiden an einem weitaus ehrgeizigeren Plan: Er soll Investoren viel Rendite und den Fußballligen mehr Chancengleichheit bringen. Als Vehikel dient ihre eigene börsennotierte One Touch Football (OTF) AG, die sich kleineren, potenzialstarken Fußballvereinen in Europa gegen Beteiligung und Gebühr als Aufbauhelfer andient. „Wir sind so etwas wie Investoren für Klubs, die keinen Investor wollen“, sagen Hülsmann und Bode im Gespräch.
Dem Duo schwebt eine Art sanfter Fußball-Kapitalismus vor. Vorige Woche warben die beiden auf einer Münchener Kapitalmarktkonferenz im Raum III eines Luxushotels um Investoren. Sie sollen in zwei Schritten per Kapitalerhöhung bis zu 100 Millionen Euro ins Unternehmen pumpen. So ausgestattet will One Touch Football mittelfristig bei insgesamt rund sechs Vereinen mitmischen – in Deutschland an einem Klub der zweiten oder dritten Liga, in Österreich, Schweiz, Belgien und den Niederlanden hingegen nur in der ersten und zweiten Liga. In Norwegen, Dänemark und Schweden wiederum geht es sogar lediglich um die erste Liga. Maximalsumme pro Investment: 25 Millionen. Die per Chart vermittelte Botschaft auf dem Investoren-Meeting: Es gäbe bei den Klubs einen „wachsenden Bedarf nach Eigenkapital und ,Added-Value‘-Investoren“.
Mit zwei Vereinen seien die Gespräche schon sehr „weit gediehen“, referiert OTF-Aufsichtsratsvizechef Bode, spricht von einer „Pipeline“ mit Partnerklubs und dass man Wert lege auf ein „Netzwerk ohne Hierarchie“. Alles werde im Einklang mit den jeweiligen Stakeholdern der Klubs unternommen – „es ist zum Beispiel essenziell, die Fans mitzunehmen“.
Wichtig sei eine frühzeitige Kooperationsvereinbarung mit den Klubs, die die Geldverwendung klar regelt, sagt CEO Hülsmann und lobt Fußball als „unkorrelierte Asset-Klasse“, deren Rendite unabhängig von anderen Anlageformen anfalle. Im europäischen Fußballgeschäft hätten meist aus den USA stammende Finanzinvestoren eine immer stärkere Bedeutung, so Hülsmann, den arabischen Staatsfonds oder Konzernen wie Red Bull gehe es dagegen eher ums Image, Russen und Chinesen seien ganz raus aus dem Geschäft. Schon haben mehr als 70 Organisationen die Kontrolle über mehrere Fußballklubs in vielen Ländern.
In diesem Feld will der designierte „Multi-Club-Owner“, dem konkret noch Kapital und Klubs fehlen, kräftig mitmischen. Seit kurzem ist die an Wertpapierbörsen angelehnte ICF Bank zwecks Investoren-Gewinnung mandatiert. In dem harten Wettbewerb der Geldgeber um die richtigen Klubs sieht sich die Firma als einzige börsennotierte Fußballfinanzierungsplattform dank hoher Kompetenz im Vorstand, im Aufsichtsrat und bei Experten gut positioniert.
Im Sommer 2023 hatten 23 Investoren insgesamt 800.000 Euro zur Anschubfinanzierung aufgebracht, allein 250.000 Euro kamen von Aufsichtsratsmitglied Michael Föcking, einem früheren Manager der Private-Equity-Firma EQT. Auch etliche Top-Anwälte der internationalen Kanzlei Pinsent Masons zeichneten Anteile, mit Thomas Mayrhofer kommt der Aufsichtsratschef aus diesem Kreis. Pinsent Masons hat etwa vor einigen Wochen den britischen Erstligaklub FC Everton bei einem Gesellschafterwechsel beraten.
Diese illustre Pro-Fußball-Truppe hat dann die börsennotierte Münchener Vorratsgesellschaft Optal-Mology (spezialisiert auf Healthcare) gekauft und sie in die One Touch Football AG umgewandelt. Der Vorstand um CEO Hülsmann und Finanzchef Jens Lehmann, einst bei McKinsey und 1. FSV Mainz 05 aktiv, warf eine Marketing- und Informationskampagne an. Für den vakanten Posten des Sportvorstands böte sich Boris Notzon (einst 1. FC Kaiserslautern) an, der offiziell als „Sport-Consultant“ geführt wird.
Im Aufsichtsrat sitzen etwa Katja Kraus, einst Vorständin beim Hamburger SV, der Einkaufspreis-Experte Gerd Kerkhoff und Florian Kainz, Chef des Internationalen Fußball-Instituts. Auf diese Weise sollen ökonomisches Know-how, Digitalisierung und Diversität (Frauenfußball) der betreuten Klubs verbessert werden.
Nach rund fünf Jahren als begleitender Partner will OTF von erzielten Umsatzzuwächsen der Vereine profitieren, die unmittelbar zu höheren Wertansätzen führen. So würde zum Beispiel ein Drittligist nach dem Aufstieg in die zweite Liga nicht mehr nur rund 1,3 Millionen Euro aus der TV-Vermarktung kassieren, sondern rund 12,5 Millionen. Beim Exit kämen dann Finanzinvestoren, strategische Investoren (etwa lokale Sponsoren), die Klubs selbst per Rückkauf-Option oder ein Börsengang in Betracht. In Dänemark können Börsianer bereits von jedem zweiten Erstligisten Aktien handeln, in Deutschland ist das bisher nur bei Borussia Dortmund und der SpVgg Unterhaching möglich.
Es gibt derzeit einen regelrechten Run von Investoren auf den Fußball. So stieg die Firma Strategy Excellence 22 des Ex-Nationalspielers Thomas Hitzlsperger für rund zwei Millionen Euro mit 20 Prozent beim dänischen Erstligisten Aalborg BK ein. Und der langjährige Fußballfunktionär Robert Schäfer, einst Chef von Fortuna Düsseldorf, späht mit RTC Management & Sport überall in Europa nach Mehrheitsbeteiligungen – erster Erfolg: der Kapfenberger SV. Der österreichische Zweitligist schaffte es jüngst mit einem Video aus der Kabine („Falkentanz“) zum globalen Social-Media-Hit. Es wurde mehr als zehn Millionen Mal abgerufen.
OTF muss – wenn das Investorengeld fließt – erst mal vergleichbar gute Klubs für sich gewinnen, in der Szene ist die Rede etwa von Preußen Münster (dritte Liga). Noch liegt der Börsenkurs bei überschaubaren 1,80 Euro. OTF müsse einen Spagat bewältigen, analysiert Vorstandschef Hülsmann: Selbst sei man ein Start-up, habe es gleichzeitig aber mit ganz alten Vereinen zu tun, die teilweise vor 130 Jahren entstanden sind. Und: „Wir bringen zwei Welten zusammen – die des Fußballs und die der Finanzen.“ Das Selbstbild ist das eines „begleitenden Partners der Vereine, der helfen kann, die Klassenunterschiede zu verringern“. Es sei doch bemerkenswert, dass in der deutschen Bundesliga 2022/23 der Rekordmeister FC Bayern München mit rund 850 Millionen Euro mehr als zehnmal so viel erlöste wie das letztjährige wirtschaftliche Schlusslicht VfL Bochum, erklärt Hülsmann.
Insgeheim hegt der Finanzspezialist schon sehr viel weitreichendere Pläne. Mittelfristig könne man auch in einem der größeren Märkte wie Frankreich bei einem unterentwickelten, chancenreichen Erstligaklub einsteigen – mit dann mehr als 100 Millionen Euro, meint Hülsmann.
Für solche Kraftanstrengungen aber müsste es aber erst einmal glücken, genügend Geld für die erste Angriffswelle zu haben. Man vertiefe derzeit die Gespräche mit Investoren, heißt es bei OTF. Wenn die erhofften Family Offices, Superreichen oder Vermögensverwalter jedoch trotz der geballten Fußballprominenz ausbleiben sollten, wird im Sommer aus der Börsenfirma OTF vermutlich kurzerhand eine Beteiligungsgesellschaft für ein anderes Gewerbe.
Als Fußballer hat Marco Bode einst in Bremen Tor auf Tor geschossen, im Finanzmarkt muss ihm und seinen Mitstreitern nun eine Wette auf Wertsteigerung gelingen. Nunmehr soll Geld doch irgendwie Tore schießen. „Wir wollen“, schwört er sich, „die weitere Professionalisierung der Branche mit vorantreiben.“