Wenn Reinhard Mohn an seinen großen Traum dachte, vom heimischen Gütersloh aus ein Medienunternehmen von Weltgeltung zu formen, war ihm das Beste gerade gut genug. Reihenweise holte er akademische Talente von Deutschlands Top-Universitäten. Er versprach ihnen unternehmerische Freiheit, Geld, Ruhm, Luxus. „So etwas können Sie auch bald fahren“, sagte der Herr über Bertelsmann 1968 dem gerade promovierten Maschinenbauingenieur Mark Wössner, als eine voluminöse Autolimousine – Typ US-Straßenkreuzer – an ihnen vorbeifuhr.
Unternehmersohn Wössner, damals 30, willigte nach dem Bewerbungsgespräch ein – und wurde für 15 Jahre als CEO erfolgreicher Nach-Nachfolger des ehrgeizigen Eigentümers, der ihn da in die Provinz geworben hatte. Das Duo aus Meister und Ziehsohn machte Bertelsmann in den 1980er-Jahren tatsächlich zur globalen Nummer eins der Medien.
Vom Nachwuchs aus seiner eigenen Dynastie hielt Mohn zur damaligen Zeit weniger. Klar, Familienmitglieder erhielten ihre Chance bei Bertelsmann, aber für höchste Weihen waren sie alles andere als gesetzt. Die Chef-Nachfolge aus eigenen Eigentümerreihen dürfe nicht zum „Dogma“ werden, verkündete Mohn. So kam es denn auch und blieb lange eine Art inneres Gesetz.
Jetzt zieht in Gütersloh endgültig eine Zeitenwende ein. 44 Jahre nach Reinhard Mohns Abgang als Vorstandschef steht fest, dass künftig wieder einer aus dem eigenen Clan, spätestens zum 1. Januar 2027, auf dem Feldherrenhügel den Helm als oberster Verantwortlicher aufsetzt – sein Enkel Thomas Coesfeld, 35, bisher im Bertelsmann-Vorstand für Musikgeschäfte zuständig. Neben externen Kandidaten wurden auch dem älteren Bruder Carsten, 38, Chancen auf die Beförderung nachgesagt, aber er bleibt weiterhin einfaches Vorstandsmitglied, zuständig für Investments und die Education Group. Der Unterlegene gratulierte auf LinkedIn: Er selbst habe „seine Führungsqualitäten, seine klare Zielsetzung, seine strategische Vision, seine Integrität und sein Engagement für die Mitarbeiter und die Leistung aus erster Hand erlebt“, lobt er den Bruder. Intern war sogar über eine mögliche Doppelspitze mit den beiden Brüdern spekuliert worden. Das aber passt nicht zum Haus Bertelsmann – es kann nur einen geben.
Warum auch immer der Jüngere diesen internen Wettbewerb gewann – die Causa ist eine Zäsur wie damals Ende Juni 1981, als Reinhard Mohn zum 60. Geburtstag den Vorstandschefposten abgab und an die Spitze des Aufsichtsrats wechselte. Erstmals seit Gründung des Unternehmens im Jahr 1835 hatte die Familie damals auf die operative Macht verzichtet. Einen „Abschied von der aktiven Einflussnahme“ sah die ortsansässige „Neue Westfälische“, auch wenn der nach wie vor expansionshungrige Reinhard Mohn natürlich mächtig blieb. Wie zum Beweis feuerte er nach kurzer Zeit seinen CEO-Nachfolger, weil der meinte, die Gründerjahre bei Bertelsmann seien wirklich vorbei. Dann übernahm Wössner – und stielte Deal auf Deal ein. Gütersloh schien auf einmal ein Vorort von New York zu liegen.
Schöne Zeiten, alte Zeiten.
Wenn jetzt das dynastische Prinzip, die Rückkehr der Familie an die unmittelbaren Schalthebel der Macht, und damit an alle relevanten Top-Stellen im Konzern, zelebriert wird, stellt sich eine grundsätzliche Frage: Wird der Weltkonzern, der nicht mehr ganz so glänzend wie früher Weltkonzern ist, tendenziell zum Provinz-Familienunternehmen, das es einmal war, bevor Reinhard Mohn mit den von ihm begeisterten externen Jung-Managern zum Eroberer der Märkte wurde? Oder nimmt Bertelsmann mit der Kraft der Familie neuen Schwung?
Solche Fragen sind nicht nur wichtig für Spezialisten der Wirtschaftsberichterstattung. Bertelsmann ist immer ein deutsches Symbol gewesen, die eigene Entwicklung – von der Gründerzeit in den 1950er-Jahren über die Globalisierung bis zur Digitalisierung – eine Parabel für die Lage der Republik. Man kann hier lernen, wie wir groß wurden und wieder etwas kleiner, aber zum Beispiel auch, wie im Land die eigene Rolle in der Nazizeit beschönigt und geschönt wurde und echte Aufklärung erst spät einsetzte. Bertelsmann als Haus der Legenden und Wahrheiten ist ein Kernstück Deutschlands.
Die aktuelle Zäsur an der Firmenspitze geht zurück auf die mächtige Aufsichtsrätin Elisabeth („Liz“) Mohn, 84, geborene Beckmann, die Witwe des im Oktober 2009 verstorbenen Konzernarchitekten Reinhard – und die Grande Dame des ostwestfälischen Vorzeigeunternehmens, das gesellschaftliche Verantwortung in seiner DNA hat. Ihre Strategie ist simpel: Family first. In ihrem Buch „Liebe öffnet die Herzen“ (2000) hatte sich Frau Bertelsmann mit bestimmten Beschreibungen legitimiert, zum Beispiel, wie sie von ihrem Mann alles übers Business gelernt habe. Sie sei in all den gemeinsamen Jahren „wie ein Schwamm gewesen, der alles aufsog“. Der Schlüsselsatz: „Wir wurden zwei gleichwertige Partner.“
Und so wurde Liz Mohn vor 15 Jahren vom verstorbenen „Bunte“-Reporter Paul Sahner in einem Sechs-Seiten-Porträt als „Patriarchin mit großem Herzen“ geadelt. Auf ihrem Schreibtisch entdeckte der Reporter Fotografien in Silberrahmen von Menschen, die für die Bertelsmann-Herrscherin damals wirklich wichtig waren: Henry Kissinger, Sonia Gandhi, Angela Merkel, George Bush, zwei Päpste, Angela Merkel und Queen Elisabeth II.
Königin Elisabeth aus Gütersloh also: Sie half entscheidend, dem Nachwuchs aus der eigenen Familie nach all den Jahren wieder die Chefrolle zu verschaffen. Sie tritt als Lordsiegelbewahrerin ihres verstorbenen Mannes auf, als Vollstreckerin seines Willens. „Gleichwertige Partner“ eben. Reinhard Mohn hatte 2003 tatsächlich begonnen, der eigenen Familie eine stärkere Rolle als früher zuzugestehen. Öffentlich klagte er, wie nie zuvor, über die Eitelkeiten von Managern: „Es ist gefährlich, Manager zu haben, welche insgeheim ihre persönlichen Ziele im Unternehmen als vorrangig bewerten. Das Haus Bertelsmann ist durch mehrfache Enttäuschungen darüber belehrt wurden, dass Manager gelegentlich in ihrem Zielverständnis anders reagieren als Unternehmer.“ Das galt seinem Ex-Ziehsohn Wössner, das galt aber auch dessen Nachfolger Thomas Middelhoff, der sich einst wie ein Firmenenkel in der Sonne des Patriarchen fühlen konnte. Der amerika-orientierte Mann hatte Bertelsmann ins Internet und – etwa mit der RTL Group – an die Börse gebracht. „Mehrfache Enttäuschungen“ – es war an Liz Mohn, die nun geschmähten Manager einen aus dem anderen aus dem Konzern zu drängen.
Die Kurskorrektur des noch von Mohn senior georteten „Systemversagens“ begann – mit mehr Zuständigkeiten für die eigene Familie, die, so die neue Interpretation, stets für eine „menschliche Haltung“ eintrete. So ist die Neubesetzung der Vorstandsspitze im Grunde nur das letzte Ergebnis und der Höhepunkt des Strategie-Swings vor mehr als 20 Jahren. Kritiker glauben, es zähle nun das „Blut-ist-dicker-als-Wasser“-Prinzip.
Seit einigen Jahren sei es der Wunsch von Reinhard und Liz Mohn gewesen, den Coesfeld-Brüdern aus dem eigenen Familienkreis eine Karriere-Chance im eigenen Unternehmen zu verschaffen, heißt es unisono bei Bertelsmann. Mitarbeiter und Freunde des Hauses begleiteten die beiden auf ihrer Laufbahn, Mentoren aber aber gab es nicht. Die Botschaft hinter der Chef-Personalie: Das Unternehmen ist wieder ganz bei sich, die wieder wichtiger gewordene Familientradition werde maximal gewahrt. (Auch wenn es hier um das Blut von Reinhard Mohn geht und nicht um das des ehemaligen Bertelsmann-Lehrmädchens Elisabeth Scholz, das zur Firmen-Queen wurde.)
In historischen Geschichten haben Königinnen schon mal gern versucht, Mitglieder der Familie, die einer anderen Linie entstammen, zu benachteiligen oder kaltzustellen. Das ist bei Liz Mohn anders. Den Konzerndauerbrenner „Kontinuität“ – eine in Gütersloh überaus populäre Vokabel – interpretiert sie großzügig. Da ist es irrelevant, dass die Mutter der aktuell so vielversprechenden Bertelsmann-Enkel Carsten und Thomas jene langjährige Kinderärztin Christiane Coesfeld, geborene Mohn, ist, die 1954 als drittes Kind in der damals schon fragilen Verbindung von Konzernerbauer Reinhard mit Magdalene Mohn, geborene Reißfeld, zur Welt kam.
Als möglicher Vorstandsaspirant aus dieser ersten Ehe galt eine Zeitlang der Erstgeborene Johannes Mohn, 76, der tatsächlich einige Führungspositionen im Konzern innehatte, etwa beim CD-Hersteller Sonopress. Für den CEO-Posten aber langte es, trotz bester genetischer Voraussetzung und zeitweiliger Ermunterung, in Konkurrenz zu Wössner & Co nicht. Seinem Sohn sei es freigestellt, in die Leitung der Firma einzutreten und sie später zu übernehmen, aber er müsse sich dafür qualifizieren, so Vater Mohn 1978: „Die Tatsache, dass er mein Sohn ist, reicht nicht aus.“ Der Aspekt der „Familientradition“ sei deutlich untergeordnet unter die „Kontinuität der Führung“, hieß es bei dieser Gelegenheit erneut.
Es ist diese Gewichtung, die sich jetzt, in der nächsten Generation, radikal ändert – durch die Frau, die einst eine Rivalin von Magdalene Mohn war und die Reinhard Mohn erst 1982, viele Jahre später, heiratete – nach einer hart umkämpften Scheidung. Die aktuelle Personalie wirkt auf Eingeweihte wie eine späte Versöhnung der Mohns mit sich selbst und wie eine Neubewertung des Erbes von Reinhard Mohn mit seinen zwei Familien und sechs Kindern. Vergessen sind die alten Zwistigkeiten.
Familienverhältnisse können kompliziert sein, was man in den 1950er- und 1960er-Jahren vor allem auch in der Medienszene bemerkte – bei jenen wiederaufbauenden Verlagschefs, die nach den Wirren des Krieges das Leben und seine Freiheiten intensiv spüren wollten. Was daraus folgte, waren mitunter skurrile Behelfskonstruktionen. Das gilt auch für die aus der zunächst nebenehelichen Liaison von Elisabeth („Liz“) Beckmann mit Reinhard Mohn hervorgegangenen Kinder Brigitte, Christoph und Andreas. Als deren Vater trat offiziell zunächst Joachim Scholz auf, Lektor für Kinderbücher bei Bertelsmann. Reinhard Mohn wiederum galt den Kindern bei seinen Besuchen als „Onkel“.
Andreas Mohn – Künstlernatur mit Distanz zur Familie – hat dem Bertelsmann-Biograph Thomas Schuler gegenüber von einer „Scheinehe“ gesprochen, über deren Existenz sich das „Wall Street Journal“ dann 2010 detailliert ausließ. Die US-Wirtschaftszeitung schrieb von „illegitimen Kindern“, die es im Mittelklasse-Gütersloh nicht habe geben dürfen und vom einmaligen Aufstieg der ehemaligen „Mistress“. Nach der Eheschließung mit Liz adoptierte Unternehmer Mohn sofort die drei Kinder, die bis dahin „Scholz“ hießen. Es waren andere Zeiten.
Die Indiskretionen waren lästige, ärgerliche Zwischentöne beim großen Plan der zweiten Frau von Reinhard Mohn, den Einfluss der Familie auf Bertelsmann zu maximieren, ihr eine ganz neue Geltung zu verschaffen – und den Konzern keinesfalls zum Spielball von Investoren und Banken werden zu lassen.
Nur so ist zu erklären, dass Liz Mohn 2006 für sage und schreibe 4,5 Milliarden Euro einen Anteil von 25,1 Prozent an Bertelsmann vom belgischen Baron Albert Frère zurückkaufte – das Paket wäre sonst an die Börse gegangen. Der damals hochverschuldete Bertelsmann-Konzern musste das Musikverlagsgeschäft der Bertelsmann Music Group (BMG) und seine Anteile an der Major Company BMG Sony abstoßen. Nur zur Erinnerung: Den Frère-Deal hatte einst Ex-CEO Middelhoff bei der Gesamtübernahme der RTL Group mit dem Milliardär aus Wallonien vereinbart. Der Belgier bekam für ein Drittel der TV-Gruppe immerhin ein Viertel an ganz Bertelsmann.
Durch solche Transaktionen hatte es sich der Manager bei der Matriarchin gründlich verscherzt, die in den den letzten Lebensjahren von Reinhard Mohn als Aufsichtsrätin und in anderen Funktionen deutlich an Einfluss gewann.
Einst mag Liz Mohn gedacht haben, ihr Filius Christoph, 60, könne vielleicht Vorstandschef von Bertelsmann werden. Doch der Betriebswirt und Ex-McKinsey-Berater verpatzte seine Meisterprüfung. Der von ihm kurz vor dem New-Economy-Crash im März 2000 an die Börse gebrachte Internetkonzern Lycos Europe – er stand für die Zukunft des Konzerns – musste acht Jahre später abgewickelt werden. Dem gescheiterten Familienspross fehlte es erkennbar an der Härte für den Spitzenjob – und Härte sei nun mal die „bessere Form der Liebe“, hatte Reinhard Mohn immer wieder geäußert. Man habe erkennen müssen, dass Christoph Mohn trotz vieler guter Eigenschaften kein guter CEO sein würde, erinnert sich Jürgen Richter, der frühere Chef von Axel Springer und Bertelsmann Springer. Er hatte Mohn junior gecoacht.
Seit 2013 steht der Ex-Lycos-Chef dem Aufsichtsrat des Bertelsmann-Konzerns vor. Dort kooperiert er gut mit dem seit 15 Jahren herrschenden CEO Thomas Rabe, 60, der sich anfangs wohl stärkeres Wachstum und mehr Kapitalmarktmaßnahmen versprochen haben mag. Rabes Vertrag läuft Ende 2026 aus. Er hatte auf die Coesfelds im Vorstand ein besonderes Auge und bereitete das Feld für den Generationenwechsel. So kümmerte sich der Manager, der in Personalunion auch die RTL Group leitet, um die Beerdigung des einstigen Großverlags Gruner + Jahr. Bereits im Mai 2026 kommt fürs TV-Geschäft Clement Schwebig in den Vorstand, bisher beim US-Unternehmen Warner Bros Discovery für Westeuropa und Afrika zuständig. Er hatte sich zuvor auch um Asien gekümmert, wo Bertelsmann große Wachstumschancen sieht (wie auch in Brasilien oder USA/Kanada).
Wenn alles so läuft wie angekündigt, wird am Ende Christoph Mohn aus der zweiten Ehe von Reinhard Mohn den Abkömmling aus der ersten Ehe von Reinhard Mohn beaufsichtigen – keine alltägliche Konstellation für ein Unternehmen, das auf 19 Milliarden Euro Jahresumsatz kommt. Liz Mohns Tochter Brigitte, 61, wiederum ist im August 2025 nach 20 Jahren Vorstandsarbeit in der Bertelsmann-Stiftung – „interimsmäßig“ – zur Vorsitzenden aufgestiegen.
Aber wird mit dem Powerplay der Familie auch unternehmerischer Erfolg verbunden sein? Und tatsächlich eine ähnliche Aufbruchstimmung wie einst bei Reinhard Mohn? Gunter Thielen, einst enger Vertrauter von Liz Mohn und selbst für fünf Jahre Bertelsmann-CEO, hat selbst einmal per Interview erklärt, man brauche viel Erfahrung, um einen Konzern von der Größe wie Bertelsmann zu führen – und deshalb für die eigene Nachfolge einen Fünfzigjährigen vorgeschlagen.
Als Mittdreißiger fehlt dem designierten CEO Thomas Coesfeld diese Erfahrung. Andererseits könnte er den frischen Blick für einen Neustart einbringen und für Ideen für die Zeit nach Liz Mohn – in einer Zeit, in der alle von Disruption reden, keine schlechte Konstellation. Coesfeld bringe als unternehmerischer Manager „alle Voraussetzungen mit, um Bertelsmann erfolgreich zu führen und die Kontinuität des Unternehmens zu sichern“, erklärt Chefkontrolleur Christoph Mohn. Der CEO in spe behält die Ressortzuständigkeit für die Bertelsmann Music Group.
Die Bedingungen für einen spektakulären Erfolg sind natürlich ungleich schwieriger als bei seinem Großvater Reinhard Mohn, der viele „Königswege“ verfolgen konnte: die Gründung von „Leseringen“ im Wirtschaftsaufbauland (Club-Idee), den Aufbau eines weltweiten Buchgeschäfts, die Agglomeration von Zeitschriften mit Millionen-Auflage, das Privatfernsehen mit seiner anfänglichen Werbeerlöslawine. Das Geld wird jetzt im Internet von nur sehr wenigen verdient, zu denen Bertelsmann – trotz einst vielversprechender Anfangserfolge – nicht gehört. Global gesehen liegt man im Wettstreit mit Meta, Amazon, Netflix, Alphabet und den anderen auf dem 18. Rang.
Eine große Herausforderung, bei der Neu-Chef Coesfeld, so seine Ankündigung, „auf die Unterstützung des gesamten Vorstands, des Top-Managements und aller Mitarbeitenden setzen werde“.
Nicht zu verschweigen ist, dass es auch bei Familienunternehmen Fachleute gibt, die generell die Wahrscheinlichkeit hoch einschätzen, am Markt bessere Manager zu finden als in der Familie. Die Frage, ob externe Manager oder Familienmitglieder ganz oben in der Firma stehen sollten, zielt jedenfalls auf den Kern von Familienunternehmen. Darüber wird in Deutschland, der Republik der „Hidden Champions“, immer wieder diskutiert.
Für beide Richtungen gibt es Erfolgsbeispiele: So schauen bei Volkswagen in Wolfsburg, Henkel in Düsseldorf oder bei BMW in München die Eigentümer-Vertreter nur im Aufsichtsrat nach dem Rechten, während bei Trumpf, Fielmann, Herrenknecht oder Rossmann die jeweilige Sippe selbst steuert. Eine Untersuchung von Price Waterhouse Coopers (PwC) zeigte 2020, dass nur 47 der bedeutendsten 119 deutschen Familienunternehmen von Familienfremden geführt werden – bei der Mehrheit gibt ein Spross der Eigentümer den Ton an. Bertelsmann gehört nun wieder in diese Gruppe. Der schwäbische Schraubenkönig Reinhold Würth glaubt, dass Familienunternehmen mit intakter Familie stärker, diejenigen mit schwacher Familie allerdings schwächer seien als andere Unternehmen.
Wenn das stimmt, scheinen die Mohns in der gegenwärtigen demonstrierten harmonischen Verfassung gut gerüstet. Ohnehin hat Reinhard Mohn die unternehmerische Infrastruktur in vielen Jahren geradezu festbetoniert: die gemeinnützige Bertelsmann-Stiftung als größter Kapitalgesellschafter, der die Dividenden der Bertelsmann SE & Co. KGaA in gesellschaftliche Projekte fließen lässt; die Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft (BVG), wo die Stimmrechte liegen und nichts gegen den Willen der Mohns entschieden werden kann; die Unternehmens-Essentials, die Partizipation und Partnerschaft, Kreativität und Unternehmertum vorschreiben.
Reinhard Mohn selbst hat die vielen Regularien und Normen immer wieder verändert. Zugleich wusste er um die Vergänglichkeit solcher Ideen: „Das Tausendjährige Reich wollte ich auch nicht schaffen.“
Seinen Traum träumt nun die Enkel-Generation.

