Meine gesammelten Werke: Wie ich die Lage gesehen habe.

Über die Lage nach der Wahl

Tagesgedanken (70)

Über die Lage nach der Wahl

Große Verlierer der Wahl treten zurück, größte Verlierer der Wahl aber erweitern einfach die eigene Macht. Das ist so etwas wie die sozialdemokratische Dialektik im Schmerz der Niederlage.

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Ohne Volk keine Volkspartei.

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Wenn die SPD etwas über ihre Zukunft wissen will, muss sie sich nur die FDP anschauen: Einige Jahre Steigbügelhalter, dann Ruhebett, wenn nicht Totenbett. Der beste politische Platz in solchen Fällen ist die Opposition. Eine solche Regeneration kann sich Deutschland aber gerade nicht leisten.

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In der Regel ist es einfacher, Kanzler zu werden als Kanzler zu sein – geschweige denn, als Kanzler zu bleiben.

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So schön „Retro“ im Design, in der Mode und in der Kunst auch sein mag, so sehr ist es doch in der Politik fehl am Platz. Es ist zu befürchten, dass Deutschland noch nie einen solchen „Retro“-Kanzler gehabt haben wird wie Friedrich Merz.

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Dreimal von der eigenen Partei abgelehnt, und am Ende von Deutschland erhöht, auch das sind Geschichten, die das politische Leben schreibt.

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Wenn der Kanzler vor allem für Themen zuständig ist, über die in diesem so kurzen wie schlechten Wahlkampf überhaupt nicht geredet wurde, baut sich die nächste Wählerenttäuschung auf.

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Berliner Beobachtungen: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er kein Wasser mehr hat.

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Die Union hat sich so sehr in einen Siegestaumel hineingeredet, dass sie am Ende daraus kaum mehr herausgerät. Und so kommt es, dass sie nicht Demut, sondern Übermut beim Blick auf die wirklichen Wahlergebnisse befällt. Man fragt sich, wo eigentlich das Wachstumsprogramm ist, dass Deutschland nach vorn führt und noch mehr, wo die Person ist, die es zu ihrem politischen Leben macht.

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Umbruch ja, Aufbruch nein.

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Innovation ist kein Sonderrecht der Wirtschaft, sondern Sonderpflicht der Politik.

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Der CSU-Vorsitzende: Sein täglich Instagram gib ihm heute. Die Grünen hat er so erfolgreich geschmäht und andere dabei so sehr vergessen, dass die AfD ihm zu tiefem Dank verpflichtet ist.

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Schon immer waren CSU-Minister in der Bundesregierung tendenziell eher für Bayern als für Deutschland das Geld wert, das sie gekostet haben. Man sollte ihnen kein Ressort geben, in dem sie zu viel Schaden anrichten können.

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Mancher verwechselt Führungsstärke mit der vollendeten Versuchung, „Trump-Momente“ zu bieten.

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Politik in Deutschland ist wieder so sehr Männersache geworden, dass man sich für Führungsgremien der Parteien fast Pflichtquoten wie für die Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen wünscht.

 

(Am 23. Februar wurde die Union bei der Bundestagswahl die stärkste Parteiengruppe – und Friedrich Merz avanciert zum Bundeskanzler.)