Meine gesammelten Werke: Wie ich die Lage gesehen habe.

Zum Erbe von Henry Kissinger

Tagesgedanken (40)

Zum Erbe von Henry Kissinger

Für alle zum Nachlesen, insbesondere für Olaf Scholz, den Mann im Bundeskanzleramt: „Die meisten Führungspersönlichkeiten haben keine visionären, sondern vor allem Managerfähigkeiten. Doch in Krisenzeiten – im Krieg, bei einem schnellen technologischen Umbruch, einer jähen wirtschaftlichen Disruption oder einem ideologischen Umsturz – kann das bloße Management des Status quo der gefährlichste Kurs überhaupt sein. In vom Glück begünstigte Gesellschaften bringen solche Zeiten transformative Führungspersönlichkeiten hervor. Mann dabei zwei Idealtypen unterscheiden: den Staatsmann und den Propheten.“ Mit solchen Einschätzungen – hier aus seinem Buch „Staatskunst“ (2022) – bleibt Henry Kissinger unsterblich. Und beim Lesen denkt man: Nun, ein Prophet ist Olaf Scholz sicherlich nicht.

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Außergewöhnliche Zeiten brauchen außergewöhnliche Anführer. Sie brauchen keine außergewöhnlichen Trickser.

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Von Henry Kissinger konnte man lernen, wie Begeisterung und intellektuelle Rasanz vor Alter schützen. Das wird belegt durch seine Produktivität beim Bücherschreiben kurz vor 100. Sogar auf den fertigen Buchfahnen schrieb er ganze Seiten um. Gesundheit, lernen wir, beginnt beim Denken.

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Seine persönliche außenpolitische Bilanz ist wegen Chile und Kambodscha nicht makellos. Was aber überragt, ist das Bemühen um Verständnis und Versöhnung, selbst als es um die Trauer eines aus Fürth vertriebenen jüdischen Bürgers im Land der Täter ging. Die Bezeichnung „Jahrhundertgestalt“ wird inflationär gebraucht. Hier passt sie einmal.

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Noch eine Erinnerung: Als wir beim Handelsblatt 2013 unser neues Büro an der Wall Street in New York einweihten, schickte Mister Kissinger eine motivierende Grußbotschaft. Für die Mitarbeiter war ein Maßstab gesetzt.

 

(Der große Politiker und Welterklärer Henry Kissinger ist im Alter von 100 Jahren in Kent, Connecticut, gestorben.