Beim touristischen Besuch des „Sommerpalasts“ des französischen Staatspräsidenten im Fort de Brégançon fällt ein Buch im Regal auf. Es stammt von Richard Werly und heißt „La France contre elle- même“. Es beschäftigt sich mit der Zerrissenheit Frankreichs, also dem Kampf des Landes gegen sich selbst. Der französisch-schweizerische Journalist schlägt einen weiten Bogen von der Nazi-Okkupation im Jahr 1940, der Polarisierung zwischen dem Hitler-devoten Vichy-Regime und der Résistance, hin zu den aktuellen Auseinandersetzungen, etwa rund um die Gelbwesten. So gesehen bietet das Buch eine Perspektive, die gegenwärtigen Krawalle nach dem Tod eines 17-Jährigen in Nanterre, verursacht durch einen Polizisten, besser zu verstehen. Emmanuel Macron weiß davon. Und wir wissen: Das Schreckgespenst der Polarisierung fliegt auch über Deutschland.
Noch eine Beobachtung in der alten Festung von Brégançon am Mittelmeer: Konservativismus war immer stark, wenn er die Moderne umarmt und nicht die Vergangenheit. Zu sehen ist das sehr gut am Beispiel des früheren Staatspräsidenten Georges Pompidou, innenpolitisch ein entschlossen Erhaltender, in der Kunst aber ein Progressiver, einer der Ausnahmeerscheinungen wie dem Op-Art-Pionier Victor Vasarely oder den Avantgardedesigner Pierre Paulin förderte. Apropos: Was Friedrich Merz braucht, ist kein Feindbild, sondern ein besseres Selbstbild. Er muss erklären, was modernen Konservativismus ausmacht. Der panische Blick auf die AfD verstört nur die Partei.
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