Meine gesammelten Werke: Wie ich die Lage gesehen habe.

Deutschlands Presse-Verlegerverbände rücken zusammen

Süddeutsche Zeitung, 28.11.2024

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Deutschlands Presse-Verlegerverbände rücken zusammen

Süddeutsche Zeitung, 28.11.2024

Als die Strahlkraft von Mathias Döpfner noch sonnengleich war, vertrauten Deutschlands Zeitungsverleger ganz auf die politischen Vermittlungskünste des Springer-Chefs. Dann aber wurden private Messages öffentlich, in denen Döpfner dem Springer-Flaggschiff „Bild“ eine Wahlhilfe pro FDP empfahl oder pauschal Ostdeutsche abqualifizierte. Später gab der langjährige Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) sein Amt auf; die „Bild“-Gruppe verkündete, den Verband zu verlassen.

Statt auf Personen-Charisma setzt der BDZV nun stärker auf die Solidarität der Branche. In der Sitzung des Gesamtvorstands beschloss die Organisation am Donnerstag im Grundsatz eine weitreiche Kooperation mit den Zeitschriftenverlegern, die im Medienverband der freien Presse (MVFP) organisiert sind. Der MVFP hatte schon am Mittwoch voriger Woche zu dem Thema getagt. Die neuen Partner einigen sich auf ein „Bündnis Zukunft Presse“– so soll in Berlin und Brüssel medienpolitisch mehr erreicht werden.

Man diskutiere in den Gremien, wie die Verbände gemeinsam noch effektiver zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für die Pressebranche erreichen können, heißt es im Umfeld des BDZV: „Wir werden uns hierzu öffentlich äußern, sobald die Diskussion abgeschlossen ist.“ Und der MVFP erklärt, in einer Zeit der „historischen Dichte an Krisen, Konflikten und disruptiven Veränderungen“ sei der Auftrag der freien Presse, für den verlässlichen Austausch von Wissen und Information zu sorgen, „so wichtig wie selten zuvor“.

Organisatorisch könnte, so ein Plan, eine gemeinsame Holding entstehen, beide Verbände würden hierfür je fünf Vertreter entsenden. Als gleichberechtigte Sprecher wirken demnach aller Voraussicht nach Matthias Ditzen-Blanke, Verleger der „Nordsee-Zeitung“, sowie Philipp Welte, Vorstand von Hubert Burda Media („Bunte“, „Focus“, „Freizeit-Revue“). Die gemeinsame Kommunikation nach außen soll „grundsätzlich abgestimmt“ werden, sagt ein Insider. Zusätzliches Personal sei nicht nötig, die jeweiligen eigenständigen Verbandsstrukturen bleiben erhalten.

In einem Grundsatzpapier heißt es, die künftig vereinten mehr als 500 Verlage stünden für mehrere tausend gedruckte und digitale redaktionelle Produkte. Diese Unternehmen gewährleisten seit Jahrzehnten eine vielfältige Presselandschaft, für die Deutschland weltweit beneidet werden, heißt es aus dem Umfeld der Verbände. BDZV und MVFP arbeiteten schon lange sehr eng zusammen, um diese Vielfalt zu erhalten. „Es geht nicht um rückwärtsgerichteten Erhalt des Status Quo“, so das Motto, „wir stehen für zukunftsgewandte Gestaltung“. Man sieht sich als „operative Plattform und politische Marke“. Künftig soll auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels oder der Verband deutscher Lokalzeitungen und Lokalmedien mitmachen. Erste Gespräche liefen bereits.

Deutsche Verlage hätten in den letzten 30 Jahren Milliarden in die digitale Transformation investiert, die digitalen Märkte aber seien weder frei noch fair, lautet die Argumentation. Monopolartige Internetplattformen, zu viel staatliche Regulierung sowie das „ausufernde digitale Angebot“ öffentlich-rechtlicher Medien gefährdeten zunehmend die Finanzierungsbasis und damit die Vielfalt der freien Presse, so das Grundsatzpapier. Als lobbyistisches Ziel wird beschrieben, von Politikern in Legislative und Exekutive „ihre im Grundgesetz festgehaltene Verantwortung für den Erhalt der freien Presse einzufordern“.

BDZV und MVFP erhoffen sich im Kampf mit Google, Facebook, Amazon, ARD und ZDF künftig eine „signifikante“ Stärkung der politischen Wirkungsmacht – eine Stimme statt vieler Stimmen. Anstehende Themen sind etwa staatliche Presseförderung, eine reduzierte Mehrwertsteuer sowie die Sicherung des Urheberrechts in Zeiten Künstlicher Intelligenz. Angesichts der anstehenden Bundestagswahl soll das Bündnis, so die Hoffnung, möglichst schnell Anfang 2025 loslegen.